Mit enormem bürokratischem Aufwand kämpft ein EU-Parlamentarier für ein europäisches Ufo-Zentrum
Brüssel - Wenn Normalbürger sich für Ufos interessieren, dann ist das ihr privates Vergnügen. Wenn aber Europaabgeordnete an Außerirdische glauben, kann daraus eine große Sache werden. Der italienische Abgeordnete Mario Borghezio (62) aus Turin, Mitglied der konservativen Mehrheitsfraktion EVP im Europäischen Parlament, entdeckte vor zwei Jahren "nach ausführlichem Studium", wie er selbst sagt, sein Interesse an Ufos. Jetzt beschäftigt er - unter Berufung auf Artikel 123 der Geschäftsordnung des Europaparlaments - Beamte, Übersetzer und die 736 Abgeordneten mit seiner schriftlichen Erklärung 57/10, die auf der Vorderseite ein Riesen-Ufo im Anflug auf das Straßburger EU-Parlament abbildet. Borghezio kritisiert in seiner Erklärung die "systematische Geheimhaltung der Informationen" über Ufos in den EU-Mitgliedsländern. Er fordert deshalb die Regierungen Europas auf, "die staatlichen Archive über Ufos zu öffnen, die Geheimhaltung aufzugeben" und ein "wissenschaftliches Beobachtungszentrum" zur Datensammlung über Ufos einzurichten. Die Erklärung Borghezios wurde mittlerweile in alle 23 Amtssprachen der EU übersetzt. Sie hängt jetzt am Eingang der großen Plenarsäle in Brüssel und Straßburg. Der Italiener kämpft bei seinen Kollegen um Unterschriften für das Anliegen. Seine Chancen stehen gar nicht so schlecht - drei Tage nach Veröffentlichung hatten immerhin schon 17 Parlamentarier die Ufo-Erklärung unterzeichnet. "Man muss Druck machen", sagt Borghezio. Anfang Juli will er Ufo-Experten zur Sitzung des EU-Parlaments nach Straßburg einladen und im Abgeordnetenhaus eine Pressekonferenz über Außerirdische geben. Falls die Mehrheit der Abgeordneten unterschreibt, kommt der Präsident des EU-Parlaments ins Spiel: Er muss dann Borghezios Erklärung an die Regierungen und Parlamente aller 27 EU-Staaten weiterleiten.
Auch der italienische Christdemokrat Sergio Silvestris beschäftigt das Europäische Parlament mit einer Erklärung. Er fordert zusammen mit seinem Kollegen Giancarlo Scotta "die Einführung des Europäischen Tages des handwerklich hergestellten Speiseeises". Der neue Jubeltag soll demnach in ganz Europa am 24. März gefeiert werden. Laut Silvestris würde das "zum Wachstum dieses Industriezweigs" beitragen.
Neben den sogenannten schriftlichen Erklärungen können die Abgeordneten auch schriftliche Fragen an die Europäische Kommission richten. Rund 7000 Anfragen pro Jahr beschäftigen Heerscharen von Kommissionsbeamten. Dabei wollen die Volksvertreter auch schon mal wissen: "Wie viele Flaschen Wasser haben die Angestellten der Europäischen Kommission im Jahr 2006 getrunken?" Besonders nervig war der britische Abgeordnete Robert Kilroy-Silk. Er stellte innerhalb von vier Jahren mehr als 1100 Anfragen. Er wollte von der Brüsse-ler Kommissionsbehörde wissen: "Plant die EU-Kommission neue Richtlinien für 'islamische Autos' mit eingebautem GPS, das ihnen den Weg nach Mekka zeigt?" Immerhin: Kilroy-Silk wurde 2009 nicht wiedergewählt